Willi Schwenkmeier - Christoph Ransmayr - Traunstein - Studio 16 - 11.03.2008

11.03.2008 | Kulturelles | Willi Schwenkmeier - Traunstein, Studio 16 | Keine Kommentare

„Genug! Eines Tages kehren wir unseren Träumen den Rücken!"

Fiktive Grenzerfahrungen mit Willy Schwenkmeier nach Christoph Ransmayr

Ist nun Willi Schwenkmeier Christoph Ransmayr oder verhält es sich doch umgekehrt? Schwer zu unterscheiden wer sich da in wen hineinversetzt bei der Premiere der Bergsteigerballaden des österreichischen Schriftstellers im fast ausverkauften Studio 16. Weil Willi Schwenkmeier krank war konnten sie nur einmal proben erfahren wir nach der Vorstellung. Doch von kleineren Unsicherheiten ist bei einem routinierten Bühnenfuchs wie Schwenkmeier allerhöchstens am Rande und bei genauem Hinsehen etwas zu erkennen. Lediglich eine Passage fiel seiner noch immer angeschlagenen Stimme zum Opfer. Dafür gab es am Ende eine „Entschädigung" besonderer Art.

Es ist stockdunkel im Studio 16 – Nacht. Ein kleines Licht scheint auf das Bühnenbild – den Trans-Himalaya, gestaltet von Walter Angerer d. Jüngere. Ein Bergsteiger kommt den Grat herauf – erschöpft, mutlos, völlig am Ende. Er ist oben angekommen – allein – doch wozu? Seinen Bruder hat er im Schneesturm verloren. Lebt er überhaupt noch?? Er selbst ist verletzt, angeschlagen – verwundet an Körper und Seele. Die Zweifel kommen. Wozu das alles? Die Plagen, Frieren, Hunger, Durst, qualvolle Atemnot, Höhenwahn, der Verzicht selbst auf den allerkleinsten Hauch von Zivilisation – WOZU? Des Bergmannes verzweifelte Erkenntnis: „Eines Tages ist es genug! Dann kehren wir unseren Träumen den Rücken und machen uns auf den Weg zurück zu den Menschen."

Mehr tot als lebendig beginnt er zu phantasieren. Oder ist es doch Realität? Dahinjagende Eisfahnen, die sich am überhängenden Grat der blaue Himmel einverleibt. Ein Himmel, der selbst bei Tag von solch sattem metallischen Blau ist dass man mit den Händen nach den dort oben erscheinenden Sternbildern greifen könnte: Schlange, Bärenhüter, Schwan und tausend andere. Fieberwahn? Höhenwahn? Den verlorenen Höhenmesser vor dem inneren Auge, die Schmerzen in der vom plötzlichen Steinschlag verwundeten und tauben Hand vergessen wähnt er sich am Meer. Hört das Rauschen der Brandung – 29 000 Fuß über dem Meer – knapp unter dem Gipfel des Phur-Ri. Dann eine Stimme: „Steh auf!" und „Erinnere dich!" Der Wahn geht weiter. „Steh auf!" Nyema, seine große Liebe sieht er vor sich, spürt ihre warmen weichen Arme. „Erinnere dich!" Es regnet Wolken von Schmetterlingen – tot, gefroren, erfroren im der Kälte des ewigen Eises. „Steh auf!" Aus dem Nebel seiner Wahrnehmung erkennt er seinen Bruder, der gekommen ist ihn zu retten, zu retten indem er ihn ins Leben „zurückerzählte" und der am Ende dafür seinerseits mit dem Leben bezahlt.

Mit „Der fliegende Berg" und „Ballade von der glücklichen Rückkehr" verwebt Willi Schwenkmeier auf außergewöhnliche Weise zwei ungemein emotionale Balladen zu einer fesselnden Erzählung in der sich Traum, Wahrheit, Realität und Fiktion vermischen. Erinnerungen an das Schicksal der Messner-Brüder werden wach, autobiographisches aus Ransmayrs Leben sowie gesellschaftskritisches kommt zum Vorschein. Wut, Trauer, Verzweiflung und Resignation kämpfen um die Vormacht mit Hoffnung, Liebe, Träumen und dem Willen zum Leben, dem Willen sich jeder Herausforderung zu stellen. WAS treibt so einen Menschen? Ist das noch mit „normalen „Maßstäben" zu erfassen? Diese Art von Extrem-Alpinismus wider alle Vernunft und wider besseres Wissen? Das Jagen nach dem letzten unbestiegenen Berg? Dem vielleicht höchsten der Welt?

Schwenkmeier in einer Paraderolle: dramatisch, eindrucksvoll, authentisch in jedem Wort, jeder Geste. Selbst für Nicht-Bergsteiger ist in dieser Ballade der Zauber, die Faszination von Höhe, ewigem Eis, Unendlichkeit die Suche nach der Unsterblichkeit hervorragend nachvollziehbar. Das Auf und Ab, die Hoffnung stirbt zuletzt. Geschrieben wie ein Liebesbrief – an die Berge, die Liebe, das Leben, die Herausforderung, den Glauben an sich selbst und das Vertrauen auf die anderen. Sogar noch in Zweifel, Hader und Hoffnungslosigkeit lässt Ransmayr das Geschehen in fast liebevollen Worten an sich vorüberziehen.

Nach einer Weile kommt Willi Schwenkmeier noch einmal zurück auf die Bühne und beginnt zu erzählen. Wie er zu Ransmayr gekommen ist, dessen Stücke er 2005 zum ersten Mal gesehen hat und die ihn bis heute nicht mehr loslassen. Bei Reinhold Messner auf der Burg Sigmundskron lernen sich die beiden kennen und schätzen. Schwenkmeier berichtet über den Werdegang seines momentanen „Alter Ego", seine Arbeit bei „Geo" und „Merian", sein bewegtes Leben, das ihn von Österreich nach Asien, zurück in die Heimat und nach Irland geführt hat. Ransmayr ist ein Schriftsteller der keine Unmengen produziert, eher das Gegenteil. Diese wenigen Werke faszinieren dafür umso mehr in ihrer Unberechenbarkeit. Christoph Ransmayr spielt sich gerne in verschiedenen Erzählstilen. In „Geständnisse eines Touristen" verpackt er Interviews als fiktive Verhöre – mit überraschenden Wendungen. „Damen und Herren der Unterwelt" sind Wasserlebewesen hinter denen aber stets ein menschliches Schicksal verborgen ist. Man weiß also nie so ganz genau was man da gerade in Händen hält bevor das Lesestudium beginnt – wie bei einer Pralinenschachtel.

Externe Links:

Willi Schwenkmeier
Christoph Ransmayr @ Wikipedia