Fliegende Kühe, Mondnächte und Menuette
Anna Katharina Kränzlein (Schandmaul) - Traunstein, NUTS-die Kulturfabrik - 08.01.2011
Anna Katharina Kränzlein dürfte vielen eher ein Begriff als Geigerin der Mittelalter-Folk-Rock-Gruppe Schandmaul. Seit einigen Jahren wandelt die dunkelhaarige Schönheit auch auf Solopfaden und präsentierte ihr zweites Solowerk „Saitensprung" in der nahezu ausverkauften Kulturfabrik NUTS einem restlos begeisterten Publikum.
Auch wenn der eine oder andere Besucher eine Art „zweite Martina Eisenreich" erhofft oder erwartet hatte, Anna Katharina aber doch eine etwas andere Spielart der Geigenmusik bedient, wurde niemand enttäuscht. Im Gegenteil. Gerade weil sie „anders" ist, ist es eine prachtvolle Ergänzung zum bereits Bekannten. Beide sind vielfache „Jugend musiziert"-Preisträgerinnen und haben eine hervorragende und vielfältige Ausbildung genossen. Anna Katharina ist nicht nur eine hervorragende Violinistin, sie beherrscht auch das Klavierspiel, bedient virtuos die Drehleier und bezaubert mit einer zarten und doch kraftvollen Stimme.
Basierend auf dieser umfassenden Ausbildung, ihrem unglaublichen Talent und ihrer jahrelangen Erfahrung bei Schandmaul zaubert Anna Katharina auf überaus charmante Art machtvolle Bilder auf ihrer Geige und zieht dabei das Publikum in ihren Bann. Mit ihrem sympathisch-charmanten Lächeln und ihren herzlichen Ansagen steckt sie die Hälfte der Gäste auf Anhieb in die Tasche, mit den ersten zauberhaft gespielten Takten die andere – und alle miteinander für zwei Stunden ihren Bann. Wäre das Nuts nicht mit einem Teppichboden ausgelegt, die berühmte Stecknadel wäre mit einem Donnerhall zu Boden gekracht.
Ihr Repertoire ist vielseitig, reicht von feinsinnigen Bach-Menuetten und dem Präludium über emotionale Interpretationen von Vivaldis „Winter" aus den „Vier Jahreszeiten" bis hin zu einer modifizierten Bearbeitung des „Csárdás" von Vittorio Monti. Wunderschön ausgearbeitet schwebt die anspruchsvolle „La Follia" von Arcangelo Corelli aus dem späten 17. Jahrhundert. Über Robert Schumanns Vertonung des Eichendorffschen Sehnsuchtsgedichtes „Mondnacht" führt der Weg zu Zigeunerweisen und Kompositionen, die ihre Nähe zur Mittelalterszene deutlich machen, einem elektronisch angehauchtem Rondo türkisch gefärbtem Folkrock.
Mit einem, am Vortag erst fertig komponierten, „Drandachtsjodler", einer Mischung aus Jodler, Folk und moderner Volksmusik im Stile eines Hubert von Goisern, sowie einer weiteren Komposition aus der eigenen Feder legt sie ihren neuen Heimat, dem Chiemgau zwei wunderbare Liebeserklärungen zu Füßen, die alle Gefühle und Stimmungen von eitel Sonnenschein bis trüben Tagen und dem „Heimkommen" in anschaulichen Bildern malt. Einzig die Wahl der Carbongeige im ersten Teil des Sets erwies sich als nicht ganz glücklich. Der Hall des Kunststoffinstruments passt halt doch besser zum Folkrock größerer Bands wie Schandmaul. Mit dem Einsatz der klassischen Violine nach der Pause war aber alles in allerbester Butter.
Mit der „Flying Cow" packten Anna Katharina und ihre exzellenten Mitmusiker Michael Ende (Letzte Instanz) am Bass und Leonhard Schwarz an Drums und Percussion auf der Zugabenseite einen flotten Square Dance aus, die ultimative Tränendrüse gab’s erst mit Leonard Cohens „Hallelujah" als letzte Zugabe. Eigentlich ein Thema, das bis zur Erschöpfung ausgereizt ist und, wenn sich die Richtige des Songs annimmt, doch ein herzzerreißender Traum sein kann.