Die „Darkest Hour" wird zum „Sonnenaufgang"
Broach, Edgedown, First Class Ticket - Bad Reichenhall, Magazin 4 - 01.04.2011
Bayerische Alternative-Rocker präsentierten ihr Debütalbum Seit knapp eineinhalb Jahren spielen Broach in der aktuellen Besetzung zusammen, haben in der kurzen Zeit schon beachtliches geleistet und präsentierten nun im Bad Reichenhaller „Magazin 4" vor mehren Hundert Zuschauern in einer richtig professionellen Show ihr Debütalbum „My Darkest Hour". Mit von der Partie waren die Bands Edgedown und First Class Ticket.
Von der ursprünglich geplanten Single über den 3 bis 5-Track-EP-Gedanken sind Broach auf anraten von Label-Boss Bernd Gruber nun doch beim „richtigen Album" mit 10 Songs gelandet, was am Ende der Produktionsphase fast noch ein bisschen für Stress gesorgt hatte, um die Arrangements der an sich ja fertigen Stücke noch für die Studioaufnahmen zu perfektionieren. In der selbstgewählten Alternative-Grunge-Ecke nahe Bands wie Nickelback, Creed, Nirvana und Godsmack fühlen sich die Jungs sehr wohl, wie Sänger Andi Kofler im Gespräch mit WoC erzählte. Sein großes Vorbild ist der grandiose Godsmack-Sänger Sully Erna, was stilistisch in etwa hinkommt, wobei in „dramatischeren Songpassagen" die Wirkung durch das raue Timbre in Koflers Wahnsinnsstimme, die das unverwechselbare Kapital der Band ist, sogar noch eher verstärkt wird. Das soll die Leistung der talentierten Mit-Jungmusiker jedoch keinesfalls schmälern, denn ohne gute Band ist der beste Sänger aufgeschmissen. Im gemeinsamen Gespräch nach der Show wird deutlich, dass die Fünf nicht nur auf der Bühne gut zusammenpassen. Auch wenn alle Songs vom Debüt aus der Feder von Andi Kofler stammen, hat die gute Chemie untereinander den positiven Nebeneffekt, dass inzwischen jeder auch eigene Ideen für Arrangements einbringt, die diskutiert und ausprobiert werden.
Bernd Gruber, Inhaber des Labels Rockport Records ist stolz auf seine Schützlinge, die „richtig gut sind und nicht nur tolle Songs schreiben und Spielen, sondern auch richtig Airplay-tauglich sind". Wohl wahr, denn wie man hinter den Kulissen hört, gibt es schon Gespräche mit dem ein oder anderen Sender. Bei Rockport sind internationale Künstler wie Kevin Coyne und Peter Hammill (Van der Graaf Generator) gelistet und lokale Größen wie die Rodgau Monotones. Auch die Strassenjungs und Schwoißfuaß firmierten schon unter diesem Dach. Zu der Frage wie eine junge Postrock-Grunge-Band gerade in diesem doch etwas genre-untypischen Musikerpool gelandet ist, sagt Andi Kofler: „Ich habe ungefähr 30 Bewerbungen an Plattenfirmen verschickt und von Rockport kam sofort ein tolles Feedback." Bernd Gruber bestätigt das, hängt noch die Bemerkung dran, dass er eigentlich kürzer treten wollte und endlich mal mit dem Wohnmobil gen Süden tingeln, nach all den Jahren des Rackerns, „aber diese Jungs, die sind so gut, dass ich sie ganz einfach unterstützen muss!"
Edgedown markieren stilistisch die Schnittstelle von klassischem Hardrock, Power-, Thrash- und Speed-Metal. Fans von Savatage, Iron Maiden und Iced Earth kommen mit den Eigenkompositionen der jungen Rocker aus Freilassing voll auf ihre Kosten. Wer allerdings mit so einer Wahnsinnsstimme beschenkt ist wie Andreas Meixner und die Fahnen von Ronnie James Dio und Metallica so hoch in Ehren hält, punktet natürlich auch voll mit der Hammerballade „Flames". First Class Ticket aus Berchtesgaden sind eigentlich in der Spaß-Punk-Pop-Rock-Ecke daheim, wo es richtig mit Gas abgeht, zeigten jedoch mit ihrem Akustik-Set, dass ihre Song auch mit der „Kleinanstöpselung" hervorragend funktionieren.
Kurz vor der letzten Umbaupause herrscht doch zunehmende Nervosität bei den Jungs von Broach. Sauber Einsingen, Mikros suchen, Tobias Beutel hantiert noch etwas an den Drumsticks herum, ein letzter Blick aufs korrekte Outfit, Instrumente geschnappt und ab geht’s auf die Bühne – endlich! Mit dem Intro (da spielst doch einer am Senderknopf des Radiogerätes) und dem fetzigen Opener „Awake" rockt sich das Quintett die Anspannung nicht nur der letzten Stunden ordentlich aus dem Leib. Auch der „Breakdown" haut in diese Rock-Kerbe. Am besten jedoch sind Broach, ähnlich wie Nirvana, in der balladesken Ecke. Songs wie „Falling", „Raining" und ganz besonders der „Last Dance" haben nicht nur hochgradige Ohrwurmqualtitäten (im Ernst, man kriegt vor allem den „letzten Tanz" tagelang nicht aus dem Kopf), sie gehen auch inhaltlich ordentlich unter die Haut, sind sie doch auch eine sehr persönliche „Lebensabrechnung" von Andi Kofler, mit denen er sich viele Belastungen der letzten Jahre wie den Tod des Vaters, Beziehungskisten und die damit verbundene Trennung von seiner kleinen Tochter, Arbeitslosigkeit und die damit verbundene, kurzfristige Mut- und Perspektivlosigkeit, von der Seele geschrieben, gesungen und in gewisser Weise auch geschrieen hat. Ein bisschen regt sich im Hinterkopf die Erinnerung an „Nirvana – Unplugged in New York" beim oberflächlichen Anhören der Akustikballade „Always", eigentlich passt als Vergleich hier aber besser der mit einer absoluten Wahnsinnsstimme gesegnete Frauenschwarm und letzter Sänger von Genesis Ray Wilson.
Um die letzte Zugabe und einzige Cover-Version auf dem Album wurde bis zur Veröffentlichung ein großes Geheimnis gemacht. Phil Collins hätte möglicherweise seine helle Freude an der Broach-Version von „In The Air Tonight", denn etwas nachspielen ist einfach, einen Song in ein anderes Genre zu transportieren und dort eine andere, ebenso wirksame Schminke zu verpassen muss man können. Der begeisterte Beifall der Zuschauer und Fans war absolut berechtigt. Broach verfügen über eine solide Basis, beherrschen ihre Instrumente, sind kreativ und bilden eine harmonische Einheit, die ihre Spielfreude offen zeigt. Jetzt heisst es spielen, spielen, spielen und Erfahrungen sammeln und wer weiß schon wo wir sie in ein paar Jahren sehen werden.
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