Helmut Schleich ist der „Besetzte"

03.04.2011 | Kulturelles | Keine Kommentare

Erfolgreiche Vorpremiere seines neuen Kabarettprogramms

Vor zweimal ausverkauftem Haus präsentierte Helmut Schleich im NUTS vorab sein neues „beherztes Typenkabarett" mit dem kämpferischen Titel „Mit mir nicht!" Von einer Demo komme er grade, schnauft Schleich auf der Bühne noch a bisserl außer Atem. Eine Demo gegen Politiker, Industrielle, Banken und Finanzhaie, Glutamat und das Tieferlegen der Bahntrasse von Feldmoching nach Laim. Aber irgendwas muss man ja tun, sagt der Trend.

Dabei beschäftigt ihn jedoch etwas anderes noch viel mehr: Denn besessen ist er nicht, der Schleich, oh nein, aber „andere" nehmen ständig unvorhersehbar aber betont willkürlich seinen Kopf, respektive sein Hirn, in Besitz und liefern sich darin heftigste Wortduelle, die das Publikum zu seinem höchsten Vergnügen unmittelbar miterleben darf. Unter dem Deckmäntelchen dieser „cerebralen Fremdbesetzer" teilt Schleich mächtig aus und taucht Politiker, Finanzhaie und andere Glücksritter und Scheinheiligtuer ganz schön rein in ihre eigenen Schlangengruben.

Am meisten setzt ihm dabei seine Paraderolle zu: Das urbayerische Alphatier Franz-Josef Strauß, der strotzend vor Selbstbewusstsein und wortgewaltig alles und jeder hinwegfegt, was auch nur den Hauch eines Zweifels an seinen Ansichten und Machtansprüchen erkennen lässt. In typischer Strauß-Pose erklärt er herrisch: „Nur weil einer keinen Hals hat, hat er noch lange nicht meine Kragenweite!" Die Atomdiskussion hätte er kurzerhand abgewürgt und so einen Schwachsinn wie das „Gefällt-mir"-Facebook" und „Opinion-Scout-24.de", der versucht durch angeblich individuell zugeschnittene Meinungsbildungs-Apps die politische Identität und Meinung von Personen zu manipulieren. Äh, ja, da sind wir doch grade ziemlich nah an der Realität, gell.

Über die neue bayerische Führungsriege ätzt Schleich-Strauß: „Ein Tierarzt als Chef der Staatskanzlei ist nur dann sinnvoll, wenn der Präsident ein Rindvieh ist, aber den würde er eher als Modelleisenbahn-Machiavelli bezeichnen." Schleich stöhnt erschöpft: „Was glauben Sie, was da los ist wenn „die" (von der CSU) in meinem Kopf ihre Kreuther Nächte von 1975 nachspielen?"

Strauß’ größter Widersacher in Sachen Besetzungskompetenz ist dabei der neue Bayernheilige Papst Benedikt XVI., der nicht nur ebenfalls mit allerhand Geschwafel aufwartet, sondern durch den sich „FJS" in den Schleichschen Gehirnwindungen zum wechselseitigen Wettstreit um „den größten aller Bayern" genötigt sieht (der Eine prahlt mit Titelseitenabbildungen einschlägiger Politmagazine, der Andere mit „Baudenkmälern" wie Ohu), den Strauß im wenig schmeichelhaften „bayrisch-barocken Vergleich" beschließt: „Lieber ein kalter Krieger, als ein warmer Bruder." Doch ist sich Schleich der Unverzichtbarkeit des Heiligen Vaters wohl bewusst, fleht er ihn doch verzweifelt um einen „christlich-sozialen Exodus" an: „Der (Papst) hat’n beerdigt, der muass doch wissn wia ma den (Strauß) loswerdt!"

Heftig und deftig gewürzt bricht es bisweilen aus Helmut Schleich (oder seinen Alter Egos) heraus, aber nie ist er dabei unter der Gürtellinie. Mit unwahrscheinlicher Präzision verwandelt er sich in Sekundenbruchteilen, oft nur durch eine kleine Körperbewegung oder ein zusätzliches Kleidungsstück in eine völlig andere Person, als wäre mit einer kleinen Handbewegung eine Schablone über Schleichs Gesicht gelegt worden. Wo gerade noch Strauß gepoltert oder Ratzinger gebetet hat, qualmt urplötzlich Helmut Schmidt die Bude voll, stottert Edmund Stoiber seine legendären „Ääähs" und geht das sonnig-selige Grinsen von Otti Fischer auf, der stakkatoartig wie im Abspann seines „Schlachthofs" alle beteiligten bekannten und unbekannten (Stammtisch)Politiker aufzählt, die in den vergangenen zwei Stunden ihren unverzichtbaren (tatsächlich?) Politk-Global-Regionalen-Gegenwarts-und-Vergangenheits-Weltanschauungssenf dazugegeben haben. Mit den Lösungen ist das so eine Sache, die haben sich gut versteckt hinter den kabarettistischen Nebelmaschinen von Politik und Wirtschaft, einerlei ob national, international, gestern, heute oder bildungs- und gesellschaftstechnisch, die Finger in den wunden Punkten drücken aber ganz schön und sind auf alle Fälle sehens- und lobenswert.

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