Scheinbar zerbrechliche Töne ganz stark
Martina Eisenreich mit \"Violin Tales\" im NUTS
Seit Jahren ist Martina Eisenreich nicht mehr aus dem NUTS-Kalender wegzudenken, in welcher Besetzung auch immer. Wer sich auf einen Konzertabend mit ihr einlässt, weiß, dass er niemals eine Kopie eines vergangenen Konzertes serviert bekommt, selbst wenn die Stücke dieselben Titel tragen. So auch wieder an einem dieser lauen Frühsommerabende, an denen es so Mancher vorzog den nächstgelegenen Biergarten anzusteuern. Schade nur, dass er/sie jetzt gar nicht wissen, was sie alles verpasst haben.
Den „Mondmann", täglich sehnsüchtig zur Erde heruntersieht, sich eines Tages mit einem Kometen auf die Reise macht und dabei verfolgt wird. Eine aufregende lebhafte Geschichte, die nur deshalb so bewegend umgesetzt werden kann „weil Stefan Glaubitz mit seinem Kontrabass alle Posaunen, Hörner und tiefen Streicher spielt und die Gitarre von Christoph Müller 40 Geigen übernehmen muss", wie die rothaarige Geigerin erklärend hinzufügt. „Jankele" gibt es, den „Webertango", ein „Banjo-Duell" von Geige und Gitarre und mit dem mongolischen „Tsaagan Subrags" sogar eine fröhliche, traurige und exotische Komposition mit langen experimentellen Passagen, die durchaus den britischen Psychedelic Bands der 70er Jahre zur Ehre gereicht hätten.
Dazwischen wieder eine ihrer berühmten „Spontanimprovisationen", diesmal mussten „Die drei von der Tankstelle" dran glauben. Das Highlight des Abends jedoch ist wie so oft das meist gespielte und „älteste Lied der Menschheit", das mehrere Völker mit großer antiker Vergangenheit rund ums Mittelmeer auch heute noch jeweils für sich beanspruchen und das so viele Gesichter und Töne hat wie kaum ein anderes Lied: der „Miserlou".
In neuer Besetzung ist sie unterwegs, mit Gitarre und Kontrabass statt Harfe und Akkordeon, was ungewohnt ist, jedoch eine Vielzahl an Möglichkeiten eröffnet auch bereits bekannten Melodien völlig neue und unerwartete Gesichter zu verleihen, die bisweilen sogar ein bisschen rockig und psychedelisch klingen, woran das Gitarrenspiel einen wesentlichen Anteil hat. Christoph Müller, den jungen Virtuosen an den Sechssaitern, hat sich die temperamentvolle Musikerin, direkt von der Musikhochschule „geschnappt". Das einfühlsame Zusammenspiel des introvertierten Juniors mit der begnadeten Geigerin klappt wunderbar, Raum für eigene Ideen und Kompositionen zeugen von großem Potential.
Stephan Glaubitz, der bereits mit Zwetschgndatschi für Furore sorgte, ist nicht nur ein überaus kreativer Musiker, er ist auch für die „Slapstickdekoration" von Martina Eisenreichs humorvollen Geschichten zuständig. Mal greift er süffisant und vergnügt grinsend in die Saiten seines Instrumentes und wedelt den edlen Holzkorpus herum, dass einem himmelangst und bang wird, dann wieder outet er sich als filmreifer Pantomime, der gekonnt eine skurrile und zum Kringeln komische Geschichte erzählt. Auch die beiden präsentieren dem Zuhörer im warmen roten Bühnenlicht so manches hinreißend-verträumte Duett.
Dem Ganzen die Krone setzt Wolfgang Lohmeier auf, von dessen ursprünglichem blauem „Reiseschlagzeug" nichts mehr übrig geblieben ist, außer der Erinnerung, der jedoch dafür nun nicht nur mit einem Drumkit durch die Weltgeschichte gondelt, sondern einem Sammelsurium an wundersamen „Geräuscheverursachern", teils selbstgefertigt, teils aus diversen besuchten Haushalten „entliehen" wie Martina Eisenreich es süffisant lächelnd umschreibt. Aus jaulenden Blechdosen, Wasserharfen und anderen abenteuerliche Dinge zaubert er geheimnisvolle Töne, die noch geheimnisvollere Geschichten erzählen wie von den „Pixies", seltsamen Waldbewohnern...
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