Tolles Liebesgeflüster und kühnes Schach

13.10.2018 | Kulturelles | Keine Kommentare

Ernst Jani - Traunstein, NUTS - die Kulturfabrik

Der Künstler spielt und liest aus dem Werk Stefan Zweigs

Ernst Jani ist vielen als Künstler mit vielen Talenten bekannt. Ob nun als Kunstmaler, Sänger und Musiker oder auch als humoristischer Rezensent ausgefallener Geschichten und Begebenheiten. Eben dieses außergewöhnliche Talent nutzt er immer wieder auch für Ausflüge in die ernsthaftere Literatur wie zum Beispiel das Lebenswerk von Stefan Zweig, das Jani an diesem Abend in der Kulturfabrik NUTS dem interessierten Publikum in Auszügen auf seine unnachahmliche Weise nahebringt.

Zunächst informiert Ernst Jani kurz über das bewegte Leben Stefan Zweigs. 1881 in Wien geboren, besuchte der reislustige Unternehmersohn aus jüdisch-großbürgerlicher Familie zahlreiche Länder und Städte und knüpfte zahlreiche Kontakte zu Künstlern und Schriftstellern. Der Leidenschaft des Schreibens frönte er bereits in jungen Jahren. Dass seine Werke 1938 ausgerechnet in Salzburg der Bücherverbrennung zum Opfer fielen, traf den überzeugten Pazifisten tief. Zweig lebte in der Schweiz, wieder in Österreich, emigrierte nach London und wurde schließlich britischer Staatsbürger. Weitere Stationen waren die USA, Argentinien, Paraguay und schließlich Brasilien, wo er 1942 verstarb. Heute ist Stefan Zweig einer der meist gelesenen deutschen Autoren seiner Zeit.

Den ersten Teil des Abends widmet Ernst Jani einem Kapitel über Casanova aus dem Buch Drei Dichter ihres Lebens" über Stendhal, Tolstoi und eben den berühmt-berüchtigsten Frauenhelden Italiens. „Allesamt ausgesprochene Selbstdarsteller", wie der Rezitator ironisch grinsend wissen lässt. Casanova ist zumindest in Mythos und Dichtung die Unsterblichkeit sicher. Je nach Interpretation schwanken die Charakteristika zwischen Neid und Bewunderung. Auch Stefan Zweig steht dem Geist des Fraueneroberers mit gemischten Gefühlen gegenüber. „Er dilettiert recht und meist schlecht in allen Künsten, schreibt stolperige Verse und narkotische Philosopheme, er kratzt mittelmäßig die Geige und konversiert bestenfalls wie ein Enzyklopädist. Trefflicher schon versteht er jene Spiele, die der Teufel erfunden und so da sind: Pharao, Karten, Biribi, Würfel, Domino, Bauernfängerei, Alchimie und Diplomatie. Aber als Magier und Meister exzelliert Casanova einzig im Liebesspiel.", zitiert Ernst Jani aus dem Kapitel „Homo Erectus". Viele Zeilen wendet Zweig auf um die Erotik, Taktiken und Schmeicheleien Giacomo Casanovas zu beschreiben und gleichzeitig eine Lanze für die Frauen zu brechen, die dem Frauenhelden reihenweise verfallen und derer er sich ungeniert bedient. Deftige Sprache und verwendete Begriffe wie ‚Weibsfutter‘ und ‚göttlicher Stier‘ sprechen von Schamlosigkeit und einer zweifelhaften Moral. Wahrheit oder Dichtung? Im Falle Casanova total egal. Zweig aber scheint ein ambivalentes Verhältnis zum zweifelhaften Ruhm der fantasievoll ausgeschmückten Geschichten des Frauenliebhabers zu pflegen und schwankt zwischen Bewunderung und Verachtung. Dergleichen Vorträge zwischen Ernsthaftigkeit, Ironie und einer gesunden Portion Humor und Zynismus liegen Ernst Jani ganz besonders. So manche Textpassage erwacht unter seiner ausdrucksstarken Mimik und gestenreichen Körpersprache zu einer opulenten Bildkomposition im Kopf der Zuhörer.

„Die Schachnovelle", die in Deutschland erst 1974 erschienen ist (Die Erstausgabe erfolgte bereits 1942 in Buenos Aires), gehört zu den bekanntesten und meist gelesenen Werken Zweigs, und ist auch heute oft noch hochgeschätzter Bestandteil deutscher Schullektüre. Im Zentrum der Erzählung geht um drei Personen völlig ungleicher Herkunft, mit unterschiedlichen Biografien und deren völlig unterschiedlichen Umgang mit der Königsdisziplin der Denker, dem Schachspiel. Da ist der amtierende Schachweltmeister Mirko Czentovic. Nicht sehr gesprächig und umgänglich, und zudem etwas arm an Emotionen, ist er aber bereit gegen jeden Schach zu spielen, der dafür bezahlt. Der reiche, von sich überzeugte Unternehmer McConnor tritt gegen ihn an – trotz der unvermeidlich nahenden Niederlage, aus der ihn spontan ein Unbekannter rettet. Und dieser Dr. B. ist die große Unbekannte in der Ungleichung. Eine rätselhafte Vergangenheit, in der ihn die Beschäftigung mit dem Schachspiel vor dem endgültigen Verderben bewahrt hat. Jedenfalls scheint es so. Auf dem Schiff wird die Geschichte aber zunehmend verwirrender – mit einem überraschenden Ende. Ernst Jani ist der Erzähler, der jedem Protagonisten persönlich begegnet, in Gesprächen diverse Einblicke in deren Seelenleben und Biografie erhält, und den aufmerksamen Zuhörer daran teilhaben lässt. Er versteht es hervorragend Mimik und Gestik so gut dosiert einzusetzen, dass dem Ernst der Erzählung, aber auch der bisweilen ironische Hintergrund stets bewusst bleibt.