Mit dem Rückwärtsgang nach vorn – oder mit dem Gestern ins Heute

15.08.2020 | Filme | Keine Kommentare

Ausverkaufte Traunstein-Premiere mit illustrem Künstlerbesuch - Zusatztermin 18. September

Der König Ludwig Hof der NUTS Sommerbühne ist ausverkauft. Open Air Kino – „richtiges" Kino – keine Autos, sondern Bänke mit Abstand, Getränke und Menschen mit denen man sich auf die Distanz ein Lachen und das Amüsement teilen kann. Die Besucher sind schon gespannt was genau der „Rückwärtsgang" sein soll, was passiert, falls der doch wieder rausspringt und welche „Stargäste" da sein werden. Zumindest letzteres Geheimnis wird durch Regisseur und Schauspieler Sebastian Schindler bereits vor Filmbeginn gelüftet: Uli Bauer, der den Bürgermeister spielt ist dabei, die gesamte Jung-Crew, die die jugendlichen Dorfbewohner mimen ist mit angereist und das Comedy-Duo Steckerlfisch & Schlagsahne aka Angela Aschbacher & Christian Haller bildet nicht nur das schlagkräftige Dorfpolizei-Team Martha und Hannes, sondern begeistert das Publikum mit einem etwa 20-Minütigen „Warm Up" Sketch aus ihrem aktuellen Kabarett-Programm im Wort und Ton. Der Film an sich ist eine herrlich amüsante, spritzige Komödie, die mit bisweilen skurrilen Szenen und witzigen Dialogen überzogen die Klischees von gestern und heute auf die Schippe nimmt.

Sonntag in Oberstraßkirchen: Während der Pfarrer (Sepp Schauer „Sturm der Liebe") seine salbungsvolle Predigt durch die Kirche hallen lässt, steht der Ministrant (Martin Frank) bereits fordernd mit seinem Sammelkörbchen an der Kirchenbank von Bürgermeister Georg Moosbauer (Uli Bauer). Kartenzahlung ist angesagt und zudem ein Mindestbetrag von 5 Euro. Das Gemeindeoberhaupt erbost weniger die unverfrorene Zwangsanhebung des Sammelbetrages von 2 auf 5 Euro, sondern die Forderung nach der Kreditkarte. Die Oberstraßkirchener halten sich zwar für recht modern, doch das ist dann doch etwas zuviel an Digitalisierung und Bargeldabschaffun. Erbost beruft Moosbauer eine außerordentliche Sitzung der Gemeinderäte (Hubbi Schlemer, Johann Schuler, Tom Kreß u.a.) ein. Er plädiert leidenschaftlich für eine unkomplizierte und übersichtliche, und somit weitgehend analoge, Zukunft des Dorfes. Die Folgen sind weitreichend, nicht immer so übersichtlich wie die „Alten" meinen und die „Jugend" reagiert zunächst abwartend und auch etwas neugierig darauf ob und was „Früher wohl besser war".

Die Sendemasten werden abgebaut, das Telefon mit der berühmten Wählscheibe, die neben dem Merken der Telefonnummer statt eines Klicks auf dem Handy, eine schon fast meditative Langsamkeit erfordert, wird wieder eingeführt. Dadurch nehmen auch die Online-Bestellung drastisch ab, was die lustlosen Postboten Harry (Michael Altinger) und Robert (Alexander Liegl) beinahe arbeitslos, und die Wirtin Liesbeth (Franziska Wanninger) an deren Stammtisch sie tagelang rumhängen, ziemlich narrisch macht. Der Trainingsanzug aus Ballonseide erlebt eine Wiederauferstehung, ebenso die Klassiker der Zweiradindustrie: Herkules, Zündapp und Kreidler rattern authentisch durch die Gegend. Analog zu den 80ern das typische Auffrisieren durch Mechaniker Maxi (Sebastian Schindler) eingeschlossen. „Wenn die schon wollen, dass wir leben wie in den 80ern, dann mit allem, was dazugehört."

Was die Altvorderen mit Hilfe des Ministerpräsidenten (Wolfgang Krebs) und unter Begeisterungsstürmen der älteren Dörfler, medial wirksam als erfolgreichen „Renaturierungs-Cup" verkaufen, bringt die Dorfjugend zunehmend in Rage und Julia (Hannah Maria Bauer), die aufgebrachte Bürgermeistertochter bläst zum Aufstand. Dummerweise werden sie ertappt und die einzige Lösung von oben heißt: Eine Mauer muss her. Bewacht von den beiden ungleichen, auf ihre jeweilig einmalige Weise aber superschlauen, Dorfpolizisten. Wie gut das funktioniert kann man sich schon denken...

Um dem Eingeschränktsein zu entkommen, suchen sich derweil die Jugendlichen auch die Mithilfe der an sich nicht so geschätzten Jugendbande aus dem Nachbardorf und deren Anführer Luca Reitmaier (Jonathan Gertis, der Christian aus der Daily Soap des BR „Dahoam is Dahoam"). Das mit der analogen Kontaktaufnahme gestaltet sich doch etwas komplizierter als erwartet. Ob doch noch alles klappt und die Jungen am Ende ihre vielbeschworene Freiheit zurückbekommen? Spannend und witzig umgesetzt ist auf jeden Fall der Gedanke „Was wäre, wenn früher heute wäre?", gespickt von der ein oder anderen Erkenntnis auf beiden Seiten.

Das ist, wie Sebastian Schindler im persönlichen Gespräch erklärt auch der Grundgedanke des Films: War früher wirklich alles besser und einfacher bzw. welche Generation ist denn besser? „Als junger, moderner Mensch mit der Digitalisierung und zunehmender bargeldloser Zahlung aufgewachsen, dachte ich mir zunächst ‚So schlimm ist das doch gar nicht! Und ist das mit dem ‚Früher war alles besser‘ nicht doch ein bisschen Glorifizierung der 80er Jahre? Doch beim Recherchieren habe ich dann gesehen, es ist nicht alles Gold was glänzt, auch wir jungen uns vielleicht etwas schwerer tun damit, weil wir haben ja alles was wir brauchen. Aber ich glaube, jede Zeit hat sein Gutes und sein Schlechtes. Leben und leben lassen eben."

Wie kriegt man für einen Low Budget-Film als 24-jähriger Jungressigeur gewissermaßen das „Who is Who" der bayerischen Kabarett-Elite zusammen? Der sympathische und quirlige Schindler aus Soyen bei Wasserburg dazu stolz und freudestrahlend: „Ja, da hat eins das andere ergeben. Uli Bauer hat schon einen Film von mir gesehen (Ein Dorf steht Kopf) und geäußert, dass er bei meinem nächsten Film gerne mitspielen würde." Uli Bauer, der auch beim Nockherberg als Double von Christian Ude großer Erfolge erzielte, witzelt dazu, er sei wohl auf die Bürgermeisterrolle eingeschworen, doch in der Realität sei ihm das dann doch etwas zu mühsam. „Den Michi Altinger hab ich ‚einfach‘ angeschrieben und der hat gleich ‚ja‘ gesagt, und so hat eins das andere ergeben.", so Schindler weiter. Zu Jonathan Gertis, der mit „Dahoam is Dahoam" doch recht eingespannt ist, berichtet Sebastian Schindler: „Wir sind zusammen für die Rolle des Christian Preissinger gecastet worden, wobei ich eigentlich gleich wusste das bin ich nicht, aber a bissl enttäuscht war ich trotzdem. Der Jonathan war aber gleich bereit im ‚Rückwärtsgang‘ mitzuspielen."

Zur Verschiebung des Filmstarts aufgrund der Corona-Maßnahmen sagt Schindler, es sei zu Beginn schon "schmerzhaft gewesen", denn der eigentlich geplante Filmstart im April fiel natürlich ins Wasser. Obwohl zahlreiche Sponsoren hilfreich zur Seite standen, waren zwischendurch Finanzspritzen aus der eigenen Tasche erforderlich, da man nicht wusste wann und wie es weitergehen würde. Da sei es dann schon super gewesen, die Open Air-Saison mitnehmen zu können. Der Erfolg und der große Zuspruch erfreue sie ungemein.

Aufgrund der großen Nachfrage in Traunstein gibt es am Freitag, 18. September um 19.30 Uhr einen Zusatztermin im König Ludwig Hof. Karten gibt es bereits im NUTS unter Tel. 0861/8431, www.nuts-diekulturfabrik.de, beim Zeitungskiosk am Maxplatz in Traunstein, Uhren und Schmuck Konarski in der Ludwigstr. und im Postkastl in Chieming.