Blind Ego – Mirror (CD/2007)
Rock, Progressive Rock, Artrock - Red Farm Records/InsideOut Music/SPV
Kalle Wallner dürften die Meisten als das sechsaitige, kreative „W" von RPWL kennen. Mehrere Jahre spielte er schon mit dem Gedanken mit einem Soloprojekt „das auf die Beine zu stellen, was mit RPWL stilistisch nicht so geht". Also mal mehr in die härtere rockigere Ecke der Musikkiste zu greifen. Jajaja...... Gut erzogene Mädchen sollen keine Kraftausdrücke verwenden...... Dann eben so: Mit seinem Erstlingswerk als Solist lässt Herr Wallner und Konsorten die Puppen auf einem gesanglich wie auch musikalisch deutlich rockigeren Brett ordentlich tanzen.
Wenn, wie im Falle Blind Ego, das Soloprojekt eines Musikers nicht nur ein Studiospielchen sein, sondern auch Live funktionieren soll ist es sicher auch nicht ganz einfach die richtige „Crew" zu finden, die dann auch richtig mitzieht. Dass das Team dann gleich so Arena-lastig ausfiel erklärt Kalle so: Im Mai 2005 spielten wir beim Eclipsed-Festival mit Arena. Dort lernte ich die beiden Johns (Jowitt und Mitchell) kennen und wir verstanden uns auf Anhieb. JJ gab mir dann auch den Rat Paul Wrightson (Ex-Arena) zu fragen ob er nicht Lust hätte mitzumachen. Er hatte und es war toll. Paul nahm die Gesangslinien im Studio von Clive Nolan (Arena, Pendragon, Camoora) auf, und dieser steuerte kurzerhand die Backing Vocals bei." Die Story, dass John Jowitt am Rauswurf Paul Wrightsons bei Arena schuld sei scheint übrigens nicht ganz wahr zu sein......
John Mitchell (Kino, Arena, Frost) und John Jowitt (IQ, Jadis, Ex-Arena, Neo) verbrachten jeweils einige Tage in den Farmlandsstudios um mit dem "Meister" persönlich aufzunehmen. Der einzige Deutsche neben Kalle selbst ist der Berufs-Ausnahme- Drummer Tommy Eberhardt (Legacy etc.). Den Schilderungen der Beteiligten zufolge muss das ein ziemlicher Spaß gewesen sein. In einer Rezi stand zu lesen Arena-Musiker seien „Huren" und gingen bei Anfrage mit jedem ins Studio, was JJ auf Nachfrage in lautes Lachen ausbrechen liess. Sie sind halt einfach alles Besessene. Ihre persönliche Handschrift ist dank des von Kalle zugestandenen Freiraums auch auf „Mirror" zu erkennen.
‚Obession’ ist ein starker rockiger Opener mit Mainstream-Ambitionen. John Mitchell am Mikro ist klasse- rau, laut und dreckig. Einzelne Gitarrenparts erinnern mich an ‚Beds Are Burning’ von Midnight Oil. ‚Break You’ und das ruhige ‚Don’t Ask Me Why’ bringt Mr. Mitchell ebenfalls sehr treffend auf den Punkt. Die Hauptkandidaten wenn’s um Airplay geht. Radiostationen der Welt haltet euch ran!
Mit den Instrumentals ‚Open Sore’ ‚Hollowed’ und ‚Moorland’ holt Wallner den Gitarrenhammer aus der Tasche, der bei RPWL öfter mal eingepackt bleibt. ‚Open Sore’ wäre eigentlich ein guter Soundtrack für das „Tor des Monats". ‚Moorland’ ist das komplexeste Stück des Gitarrentrios mit Brüchen, Stimmungs- und Rhythmuswechseln ähnlich dem „Erzählstil" eines gewissen Maxxess, den aber nur wenige zu kennen scheinen.
‚Hollowed’ ist ein nur gut einminütiges Melancholie-Intermezzo mit fließendem Übergang in den Titelsong, der eingangs erst mal eine ordentliche E-Gitarrenrakete zündet um mit dem Einsatz von Paul Wrightsons Stimme in Melancholie, Selbstzweifel und Unsicherheit zerrissen zu werden. Für die ruhigen, nachdenklichen und melancholischen Songs hätte Kalle Wallner keinen besseren finden können als ihn, dessen Gesangslage und –stil ja auch schon Arena prägte. Die Ballade ‚Moon And Sun’ funktioniert interessanterweise in der intimen Live-Stimmung besser als auf Konserve, wo es je nach Stimmungslage des Hörenden manchmal etwas langatmig wirkt.
Stärkste Tracks von „Mirror" sind ‚Black Despair’ und ‚Forbidden To Remain’. Selten bewirkt das perfekte Arrangement von Akustikgitarre und Gesang eine beklemmendere Stimmung und nahezu körperlich fühlbare Traurigkeit und Schwermut als bei ‚Black Despair’, das von Kalle Wallners ergreifendem E-Gitarrensolo noch unterstrichen wird.
Mein ganz persönliches Highlight ist immer und immer wieder der einzige „echte" Longtrack des Albums - die Halbballade ‚Forbidden To Remain’. Aus den Boxen des Wohnzimmers genauso so intensiv wie auf der Bühne – DAS ist die echte (und leider zu unrecht öfter belächelte) stärke von Paul Wrightson: In seiner Stimme Gefühle zu transportieren – tief, echt und intensiv. Bei aller Sympathie für Rob Sowden, aber Arena hat den falschen Sänger geschasst. Über all dem liegt wie ein goldener Teppich das mehrminütige instrumentale Mittelstück – floydesk, psychedelisch, abgehoben, komplex, verzerrt, rockig, Gitarrenlines über- und untereinander verflochten – einfach genial. Herr Wallners Meisterstück.
Als Zuckerl gibt es noch einen unveröffentlichten Bonus-Track aus Violet District-Zeiten. Kalle:"Ich hab mal nur so in alten Tapes gewühlt und da viel mir ‚Artist Manque’ in die Hände gefallen. Der einzige unveröffentlichte Song aus der Zeit, von dem die Gesangsspur extra erhalten war." Zu den Original-Vocals des damaligen Sängers Mischa Schleypen wurden also die Instrumente noch mal neu eingespielt.
Obwohl sich „Mirror" keineswegs wie ein rockigerer Abklatsch von RPWL anhört ist natürlich hier wie da Kalle Wallners Handschrift nicht zu übersehen. Die Kunst an der Sache ist ja bekanntlich auch seine Trademarks einfliessen zu lassen und dennoch ein eigenständiges Werk zu kreieren. Das Spiegelbild ist gelungen, weist weder Flecken noch Kratzer auf.
Tracklist:
01. Obsession 4.21
02. Moon And Sun 5.07
03. Break You 6.16
04. Black Despair 6.48
05. Open Sore (Instrumental) 3.16
06. Hollowed (Instrumental) 1.27
07. Mirror 4.26
08. Don't Ask Me Why 8.11
09. Moorland (Instrumental) 4.14
10. Forbidden To Remain 10.04
11. Artist Manqué (Bonus Track: Violet District) 6.42
Gesamtspielzeit 60:52 Min.
Line Up:
Kalle Wallner (RPWL) - Guitars
John Jowitt (IQ, Jaids, Ex-Arena, Neo) - Bass
John Mitchell (It Bites, The Urbanes, Arena, Kino, Frost) - Vocals (Tracks 1, 3, 8)
Paul Wrightson (Ex-Arena) – Vocals (Tracks 2, 4, 7, 10)
Tommy Eberhardt (Legazy, Beatfreaks) – Drums
Gastmusiker:
Clive Nolan (Arena, Pendragon, Camoora) - Backing Vocals
Yogi Lang (RWPL) - Keyboards
Stefan Obermaier - Sound Design
Mischa Schleypen (Violet District) - Vocals on 'Artist Manque'
Externe Links:
Blind EgoBlind Ego@myspace.com
Red Farm Records
InsideOut Music
SPV